Geschichte und Rechtsentwicklung - vom mittelalterlichen "Scharfrichter" zum modernen Umweltfachbetrieb

Die Entwicklung des Tierkörperbeseitigungsrechtes ist bis in das 19. Jahrhundert hinein geprägt durch Mißstände. Der Verlust eines oder mehrerer Tiere bedeutete häufig genug für den Besitzer Gefährdung oder Verlust der Existenz. Demgemäß bestand ein erhebliches wirtschaftliches Interesse, wenigstens noch ein gewisses Kapital aus dem Tierkörper zu gewinnen und das Fleisch zu verwerten.

Erstmalig im Mittelalter versuchte die Kirche, durch Androhung von Strafen die Verwendung des Fleisches verendeter Tiere zu verhüten. Mit der Beseitigung gefallener Tiere wurden die sog. Scharfrichter beauftragt, denen als Gegenleistung hier für gewisse Rechte eingeräumt wurden, die als der Ursprung der späteGeschichteren Abdekkerei-Privilegien anzusehen sind.

Die Beseitigung bestand schlicht darin, daß diese Tiere zunächst abgehäutet wurden. Der Kadaver wurde sodann teilweise vergraben, in der Regel aber an bestimmten Plätzen abgeladen, um ihn dort verfaulen zu lassen oder dem Zugriff aasfressender Tier zu überlassen. Sehr verbreitet war es auch, verendete Tiere in die Flüsse zu werfen.

Ende des 17. Jahrhunderts entstanden durch entsprechende Verordnungen die Abdeckerei-Privilegien. Danach mußte den Abdeckern verendetes Vieh zur Abholung angemeldet werden. Der Abdecker hatte gegen ein geringes Entgelt den Kadaver abzuholen. Die Beseitigung bestand im wesentlichen aber auch weiterhin in dem Wegschaffen, Abdecken und Vergraben oder Verfaulenlassen. Über den Umfang der Abdeckerei-Privilegien entstand zwischen Tierbesitzer und Abdecker häufig Streit, insbesondere darüber, welches Vieh dem Abdeckereizwang unterlag, wem die Haut zustand oder hinsichtlich der bei der Fleischbeschau, soweit man davon überhaupt schon reden konnte, für genußuntauglich erklärten Tiere usw.

Die Abdeckerei-Privilegien blieben durch die ersten gewerberechtlichen Vorschriften zu Beginn des 19. Jahrhunderts unberührt. Durch das Gewerbesteuer-Edikt vom 2.11.1810 und das Gesetz über die polizeilichen Verhältnisse der Gewerbe vom 7.9.1811 wurde zwar das Erfordernis eines Gewerbescheines nach Ablegung einer Prüfung eingeführt. In der Folgezeit lockerte sich allerdings dieser Zwang, und das Abdeckerei-Gewerbe war meistenteils nur noch von der Erfüllung der Gewerbesteuer abhängig. Die Preußische Gewerbeordnung vom 17.1.1848 ordnete die Abdeckereien unter die gewerblichen Anlagen ein, die einer besonderen polizeilichen Genehmigung bedurften.

 

Die Reichsgewerbeordnung vom 21.6.1869 behielt die polizeiliche Genehmigungspflicht bei, beseitigte aber das Recht, neue Abdeckereibezirke zu bilden und das Erfordernis, die zum Betreiben des Abdeckergewerbes notwendigen Kenntnisse nachzuweisen. Die Abdeckerei-Privilegien erstreckten sich im wesentlichen auf die preußischen Provinzen. Durch das Gesetz vom 31.5.1858 zur Regulierung des Abdeckereiwesens wurden die Zwangs- und Bannrechte zum Teil aufgehoben, im übrigen aber ihre Ablösbarkeit gegen Entschädigung bestimmt. In den Bereichen, in denen die Abdeckereiberechtigungen aufgehoben wurden, wie auch in den übrigen Bereichen unterhielten die Gemeinden auch weiterhin die sog. Wasenplätze. An diesen Plätzen wurden die gefallenen Tiere durch die sog. Wasenmeister vergraben.

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, daß verendete oder totgeglaubte Tiere schnell und unschädlich beseitigt werden müssen, um eine Gefährdung der Gesundheit der Tierbestände oder des Menschen zu vermeiden. Unter dem Eindruck der zum Teil verheerenden Rinderpest-Seuchenzüge und auf Betreiben des deutschen Veterinärrates sowie des deutschen Landwirtschaftsrates, die auf die veterinärpolizeilich unvertretbare Lage des Abdeckereiwesens aufmerksam machten, setzte sich die Erkenntnis durch, daß eine unschädliche Beseitigung beanstandeten Fleisches einschließlich der Kadaver kranker, getöteter oder gefallener Tiere dringend geboten sei. Gleichzeitig erkannte man aber auch die Möglichkeit, bei der Tierkörperbeseitigung verwertbare Produkte zu gewinnen. Im Zuge der industriellen Revolution kamen auch die ersten mit Hochdruckdampf arbeitenden Tierkörperbeseitigungsapparate auf den Markt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in Deutschland die ersten größeren Anstalten, in denen Tierkörper sachgemäß durch Knochen oder Dämpfen verwertet und als Produkt das Tiermehl und das Tierfett geschaffen wurde.

 

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